Kennen Sie das auch? Mal ist der Hausschlüssel unauffindbar, mal die Telefonnummer der besten Freundin nicht parat – zwischen 51 und 08 kommen doch noch zwei Zahlen, die einem partout nicht einfallen wollen – und es gab Zeiten, da musste man Termine beim Arzt noch nicht notieren.
Warum vergessen wir?
Je älter der Mensch, umso mehr Sorgen macht er sich um seine „grauen Zellen“. Doch nicht nur Senioren, auch jüngere Menschen in den so genannten besten Jahren klagen über Gedächtnisprobleme. In den meisten Fällen steckt jedoch keine Krankheit dahinter. Und eigentlich ist dies in unserem „Informationszeitalter“ auch kein Wunder, denn rund zehn Millionen Informationen stürzen mit jeder Sekunde auf die menschliche Wahrnehmung ein.
Davon ist wirklich nicht alles speichernswert, vieles fällt nach kurzer Zeit aus dem Gedächtnis und wird vergessen. Das geschieht unabhängig vom Lebensalter und ist pure Notwehr. So ist das menschliche Gehirn mit seinen 13 Milliarden Zellen hochsensibel und arbeitet zugleich wie ein leistungsstarker Computer. Die Arbeit der Gehirnzellen entscheidet darüber, ob der Mensch etwas in Erinnerung behält oder vergisst.
Ein Netzwerk für die Erinnerung
Alle äußeren Reize landen zunächst im Ultrakurzzeit-Gedächtnis, wo sie nur etwa 15 Sekunden vor ihrer Weiterverarbeitung oder ihrem Rausschmiss verbleiben. Das in der Großhirnrinde angesiedelte Kurzzeitgedächtnis, in dem Erlebnisse, Eindrücke und Informationen eintreffen und zwischengelagert werden, bis sie im Langzeitgedächtnis, ebenfalls in der Großhirnrinde, archiviert werden, gleicht dem Direktzugriffsspeicher (RAM) eines Computers. Es befähigt beispielsweise, Zahlen zu addieren oder eine Telefonnummer zu behalten, bis sie gewählt ist.
Das Langzeitgedächtnis könnte mit der Festplatte eines Computers verglichen werden. Alle eingehenden Botschaften werden in der Großhirnrinde über chemische Botenstoffe und elektrische Impulse von Milliarden Nervenzellen (Neuronen) weitergeleitet und vernetzt. Wird dieses Netzwerk aktiviert, setzt die Erinnerung ein. Je öfter diese Erinnerung aktiviert wird, desto „tiefer“ gräbt sich die Information ins Gedächtnis ein. Und das kann bewusst trainiert werden, dem Gehirn fehlt es häufig nur an optimalen Anregungen.
Was rastet, das rostet
Viele routinemäßige Arbeiten im Büro oder im Haushalt werden von uns wie im Schlaf absolviert. Das Gehirn schaltet ab. Aber dieser „Gedankenlosigkeit“ sollten Sie entgegenwirken. Stellen Sie sich immer wieder kleine Aufgaben, damit die „Rädchen“ im Kopf weiterlaufen. Spielen Sie mal wieder eine Partie Schach, statt sich den ganzen Abend vom Fernseher berieseln zu lassen.
Oberstes Gebot sollte sein, seinen Grips öfter anzustrengen. Übungen gibt es in Hülle und Fülle, zum Teil wird „Gehirn-Jogging“ sogar von den Krankenkassen angeboten. Denksport.de ist zum Beispiel ein Web-Angebot für Surfer mit Köpfchen. Solide Grundkenntnisse in Mathematik und ausgesprochenes Kombinationsvermögen helfen bei Aufgaben wie dem „Schiebepuzzle“, bei dem Zahlenfelder in die richtige Reihenfolge sortiert werden müssen.
Ziel dieses „Gehirn-Joggings“ ist es, Gedächtnis, Konzentration und Lernfähigkeit zu verbessern. Dann ist der „Jogger“ wieder in der Lage, Informationen schneller zu verarbeiten und auch dauerhaft zu speichern.
Der wahre Feind ist nicht das Alter
Ein kleines, zweiflügeliges Gebilde tief im Zentrum des Gehirns, das sich „Hippocampus“ oder „Seepferdchen“ nennt, trennt Merkenswertes von Unwichtigem. Wie die Tastatur eines Computers dient es als eine Art Schaltstation. Die Neuronen in der Großhirnrinde übermitteln eingehende Nachrichten zur Registratur an den Hippocampus, bevor sie ein dauerhaftes Erinnerungsnetz für diese Daten aufbauen. Reagiert das „Seepferdchen“ nicht, verschwindet die Datei für immer.
Zwar schrumpft die menschliche^Hirnmasse ab dem 60. Lebensjahr allmählich um fünf bis zehn Prozent – und auch die Aktivität von Hippocampus und präfontalem Stirnhirn, der obersten intellektuellen Instanz des Gehirns, nimmt ab. Und doch: Die rein altersbedingte Vergesslichkeit ist unwesentlich, so lange nicht Alzheimer und Gefäßerkrankungen ihre Hand im Spiel haben. Ein viel zu wenig beachteter Todfeind geistiger Fitness heißt Bluthochdruck. Hypertone Männer büßen im Laufe von 25 Jahren etwa doppelt so viel Erinnerungs- und Merkfähigkeit ein wie Gleichaltrige mit normalem Blutdruck.
Rechtzeitig vorbeugen!
Um sich im Alter eine möglichst lange Selbstständigkeit und Beweglichkeit zu erhalten, sollte sich jeder selbst etwas beobachten. Medizinische Tests geben frühzeitig Auskunft, ob sich ein ernst zu nehmendes Leiden anbahnt. Keine Scheu also, den Arzt aufzusuchen, wenn Ihnen die Vergesslichkeit Angst macht.
Älteren Menschen mit leichten bis mittleren Hirnleistungsstörungen kann mit regelmäßigen Gedanken- und Konzentrationsübungen – unter Umständen in Kombination mit durchblutungsfördernden Medikamenten – geholfen werden. Also: Bleiben auch Sie länger geistig fit mit „Gehirn-Jogging“ oder Lesen. Die oben beschriebene „Seepferdchen-Schaltung“ im Gehirn will beschäftigt sein. Nehmen Sie an Diskussionen teil und halten Sie Ihr Gehirn in Aktion. Körperliche Bewegung wie Joggen im Wald, Aqua-Fitness oder Rad fahren sorgt zudem für die nötige Durchblutung des Körpers.
Sportmediziner haben übrigens festgestellt, dass „Fingerklimpern“ die Gehirndurchblutung fördert. Schon mehrere Minuten täglich verbessern die Gedächtnisleistung um bis zu 70 Prozent! Pianisten sind somit die reinsten Glückspilze. Wann haben Sie das letzte Mal an Ihrem Klavier gesessen? Natürlich hat nicht jeder eine musikalische Ader oder gar Platz für dieses große Schmuckstück; fürs Gehirn-Training reicht es beim Fernsehen aus, zwei Tennisbälle mit den Fingern ständig durch die Hand laufen zu lassen.
So einfach sind Denksport-Aufgaben!
Kleine Konzentrations-Tests machen sogar Spaß! Lesen Sie den folgenden Satz im normalen Lesetempo und zählen Sie, wie oft der Buchstabe F vorkommt:
„Frischer Fisch gehört für die gesunde Ernährung so oft wie möglich auf den Tisch jeder Familie, genauso oft wie Äpfel oder frischer Salat.“
Wenn Sie weniger als neun Mal den Buchstaben F gefunden haben, dann haben Sie sich beim Lesen wahrscheinlich von der Tatsache beeinflussen lassen, dass die ersten beiden Wörter im Satz mit F beginnen. Beim Zählen klammert sich Ihr Denken an diesen Anhaltspunkt und übersieht weitere „Fs“, die in den Wörtern versteckt sind.